Montag, 16. Dezember 2013

Schlippenbach-Trio

Im Dezember war das Schlippenbach-Trio zu Gast bei Jazz! Entdeckungen im Schauspielhaus: 
Alexander von Schlippenbach — piano
Evan Parker — saxofon
Paul Lovens — drums


Das "Entdeckungen" im neuen Namen der Jazzreihe will diesmal auf die Musiker nicht so recht passen, sind sie doch schon seit 1970 gemeinsam unterwegs und in der Freejazz-Szene mehr als bekannt. In seiner Anmoderation wies Warnfried Altmann darauf hin, daß die Musiker schon gemeinsam auf der Bühne standen, als (und damit blickte er auf das durchaus auch junge Jazzpublikum) manch einer im Saal noch gar nicht geboren war (und auch der Autor dieser Zeilen noch im Kindergartenalter war). Eine prägnante Art der zeitlichen Einordnung, die deutlich macht, daß Musiker und Publikum inzwischen schon ganze Generationen umfassen. Auch daß das Schlippenbach-Trio den Freejazz in Europa wesentlich geprägt hat, erwähnte Altmann.

Daß sie immer noch kräftig drauflosspielen können, bewiesen die Musiker gleich im Anschluss. Die zwei Sets des Abends spielten sie ohne Unterbrechungen am Stück durch. Kräftige Klänge füllten das Foyer des Schauspielhauses. Der Titel der Tour "Winterreise 2013" konnte für die etwas irreführend gewesen sein, die darunter romatische Klavierklänge vermutet hatten. Die Musiker gehen aber schon seit Jahren im Winter auf Tour durch die Jazzclubs und so bezeichnet der Titel einfach Zeit und Anlaß der Tour.

Alexander von Schlippenbach begann mit ganz ruhigen Läufen auf dem Klavier, in die sich Evan Parkers Saxophon nur leise mischte. Auch Paul Lovens am Schlagzeug blieb zu Beginn noch zurückhaltend, nur vereinzelt, dann aber kräftig und Impulse setzend schlug er seine Drums und Becken. Es ergab sich eine erstaunliche Mischung "halber", nur leicht angedeuteter Melodien, die sich Piano und Saxophon zuspielten – vom jeweils anderen Instrument wieder übertönt und abgelöst, noch bevor die Zuhörer ihnen ganz folgen konnte. Die immer lauter werdende Mischung von Tönen hinterließ einen Eindruck, den ich vielleicht als eine Art "diffuser Ahnung von möglichen Melodien" beschreiben könnte, eine Vorstellung davon, was sich alles aus dieser Klangvielfalt entwickeln könnte, eine Ursuppe der musikalischen Evolution. Für die Zuhörer eine Möglichkeit, aber auch eine Erfordernis, ihr musikalisches Gehör zu schärfen. Überhaupt ging es auch gar nicht um Melodien, sondern um "Energie und Emotionen", wie Warnfried Altmann mir nach dem Konzert sagte. Er setzte hinzu, "auch ich brauchte erst mal eine ganze Weile um mich einzuhören, um zu verstehen, was die dort auf der Bühne machen".

Das Konzert war ein rein akustisches, auch das Klavier kam dank Schlippenbachs kräftigem Spiel völlig ohne elektrische Verstärkung aus bzw. paßten sich Parker und Lovens gut an das Klavier an.

Auch wenn die Musik des Abends überwiegend laut und kräftig gespielt war, so gab es doch ebenso auch leise Töne. So etwa bei Parkers Saxophon-Solo, das er ganz in die Musik versunken spielte, von seinen Partnern nur leise begleitet. Oder als Lovens sein Schlagzeug leise tönen ließ, mit langsamem Rhythmus ein Tempo ähnlich der menschlichen Herzfrequenz vorgebend. Ausruhen für die Ohren, bevor sich daraus wieder ein wildes Furioso entwickelt.

Der zweite Set war ruhiger und melodiöser als der erste, bestand aus langen Klavierpassagen, in die sich dann auch immer wieder die anderen Musiker mischten. Für mich war es wie der Einbruch des spontanen in eine durchgeplante Welt.

Ein schöner, ein interessanter Abend, der mit einer ruhigen Zugabe beendet wurde.


Eine kleine Anekdote am Rande:
Das Konzert hätte beinahe zu spät begonnen. Das beruhte auf einem kleinen Mißverständnis, das für die Konzertbesucher zum Glück unbemerkt blieb, Warnfried Altmanns Puls aber gehörig hochtrieb. Versehentlich hatten die Musiker eine alte Fassung des Vertrages bekommen, mit der alten Anfangszeit von 21 Uhr. Noch dazu verfuhren sie sich sich und steuerten statt des Schauspielhauses das Große Haus des Magdeburger Theaters an. Und so kam es, daß die Musiker statt zwei Stunden erst eine halbe Stunde vor Konzertbeginn im Schauspielhaus ankamen. Keine Zeit zum vorherigen Einspielen oder Soundcheck, das Konzert fand also im wahrsten Sinne des Wortes improvisiert statt. Für die Musiker war das aber kein Problem, gehört doch Improvisieren von Grunde auf zu ihrer Musik. Dass alles so schnell klappte, lag aber auch an den Technikern des Schauspielhauses, die sofort den Aufbau unterstützten.So war innerhalb weniger Minuten alles bereit, das Konzert konnte beginnen.

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